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Billard, Bars und Bienen – Steffen Fuchs, Inhaber des Salons „Köh”

Billard, Bars und Bienen – Steffen Fuchs, Inhaber des Salons „Köh”
April 2024

Steffen Fuchs arbeitet seit 40 Jahren in den Hackeschen Höfen. In den letzten Jahren der DDR machte er den „Sophienclub” zum angesagten Szenetreff. Sein Salon „Köh” ist eine feste Größe im ruhiger gewordenen Nachtleben in Berlin-Mitte.

Die wilden Zeiten haben Spuren hinterlassen. Steffen Fuchs schaut in das Schaufenster der Fliesenmanufaktur „Golem” und deutet auf den Holzboden. Wer genau hinschaut, kann dort noch die schwarzen Flecken ausgetretener Zigarettenkippen erkennen. 30 Jahre lang, zwischen 1984 und 2015, war hier der legendäre „Sophienclub” zu Hause. Und Steffen Fuchs war von Anfang an dabei.

Der Sohn einer oppositionell eingestellten Mutter verweigert in der DDR den Wehrdienst. Nur über Umwege gelingt es ihm daraufhin, das Abitur zu erreichen und ein Studium zu absolvieren. Doch der untergehende Staat bietet Nischen, die Fuchs geschickt nutzt. Der Kulturwissenschaftler wird Leiter eines neuen Jugend- und Musikclubs in der Sophienstraße am hinteren Eingang der Hackeschen Höfe.

Stasi hört mit: der Sophienclub


Unter Steffen Fuchs' Leitung entwickelt sich der Sophienclub schnell zu einem der spannendsten und angesagtesten Treffpunkte Ost-Berlins. Ausgelegt für nur knapp hundert Gäste, wurden hier in einer Nacht bis zu fünfmal so viele Leute durchgeschleust. Die Sophienstraße ist oft nicht mehr passierbar, so viele Leute drängen sich dort vor dem Eingang. Die Türpolitik ist streng, muss es sein. Steffen Fuchs sortiert persönlich. Unter seinen Gästen: Sven Marquardt, heute der bekannteste Türsteher des Landes.

Im Sophienclub trifft sich eine bunte Mischung, Punks, die Künstlerszene vom Prenzlauer Berg. Es kommen West-Berliner und Soldaten der Besatzungsmächte. Die Stasi ist natürlich auch dabei. Fuchs und seine zwei engsten Mitarbeiter sollen angeworben werden – vergeblich.

Der Überwachungsstaat ist am Erodieren, die Szene wird aufmüpfig. Fuchs gelingt es, West-Bands auftreten zu lassen. Angemeldet wird eine Ost-Band. Die baut auch ihre Instrumente auf – und überlässt dann den Kollegen aus dem „kapitalistischen Ausland” das Feld. Konzerte waren fester Bestandteil des Programms – obwohl dann noch weniger Gäste reinpassten. Auch die Konzerte einheimischer Bands sind begehrt. Mit „Feeling B” feiern die Musiker von Rammstein im Sophienclub ihre ersten Erfolge.

Foto rechts: Die Tür von „Golem Baukeramik” in der Sophienstraße war früher die Tür des Sophienclubs – und wurde bewacht von Steffen Fuchs.

Zusammenbruch


Steffen Fuchs engagiert sich zunehmend politisch. Er veranstaltet politische Diskussionsrunden im Sophienclub, lädt einen Vertreter der jüdischen Gemeinde ein, die Bürgerrechtlerin Bärbel Bohley, der russische Botschafter berichtet von der „Perestroika” in der Sowjetunion unter Gorbatschow. 1989 hält Fuchs in der Gethsemanekirche sogar eine Rede, er bietet den Sophienclub als Treffpunkt für die Opposition an. Der Verhaftung entzieht man sich durch den „Ringtausch”, erinnert sich Fuchs schmunzelnd. Die Gesuchten tauschten ihre Wohnungen untereinander, sodass die Polizei nie den vorfand, den sie dort verhaften wollte. So kommt Steffen Fuchs bis zum Ende der DDR mit zwei Inhaftierungen von nur wenigen Stunden davon.

Ein angelegter Billardqueue an einer Kugel
Aufbruch


Im Kapitalismus findet sich Fuchs schnell zurecht. Ohne Geld, aber mit viel Elan und Unternehmergeist startet Fuchs Anfang der 1990er-Jahre durch. Zusammen mit Partnern übernimmt und erweitert er den Sophienclub, gründet eine Kneipe und den Billardsalon „Köh”.

In früheren Zeiten befand sich in den Räumen des „Köh” eine Textilfabrik, zuletzt wurde hier das staatliche Tanzensemble der DDR verwaltet. Die Probebühne des Ensembles war ebenfalls in den Hackeschen Höfen, in den Räumen des heutigen Chamäleon-Theaters.

Bankkredite gibt es nicht, die Umbau- und Renovierungsarbeiten erledigen die Gründer mit ihren eigenen Händen. Durch die polytechnische Ausbildung an den Schulen der DDR verfügen sie über eine gute Grundlage für die Handwerksarbeiten. Es war nicht alles schlecht.

Neben seinen neuen Unternehmungen engagiert sich Fuchs auch noch ehrenamtlich in der „Gesellschaft Hackesche Höfe”. Die Gesellschaft beschäftigt bis zu 15 über Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen bezahlte Angestellte. Zusammen mit der Wohnungsbaugesellschaft Berlin Mitte forscht sie nach Alteigentümern und erstellt erste Pläne für eine Sanierung des heruntergekommenen Denkmals.

Rückzug


Zu Anfang des neuen Jahrtausends, Fuchs ist um die 40, verlässt er den Sophienclub. Der macht noch 15 Jahre ohne ihn weiter, läuft weiterhin gut. Doch das Umfeld hat sich gewandelt. Die Nachbarn werden älter und wohlhabender, wollen mitten in der Stadt wohnen, aber ihre Ruhe haben. Die Auflagen und Beschwerden häufen sich. Zum Jahreswechsel 2015/2016 steigt die Abschiedsfeier. Fuchs und viele alte Weggefährten sind dabei.

Auch aus der Kneipe ”Schwarze Pumpe” steigt Fuchs aus, seinen Billardsalon aber behält er. Der Laden ist ein Selbstläufer, freut sich Fuchs, Werbung braucht er nicht. Die Tische sind jeden Abend besetzt, Billard erlebt eine Renaissance, zuletzt kommen viele US- und Südamerikaner.

Das „Köh” wird nicht zuletzt auch als Bar geschätzt. Zwei bis drei Abende in der Woche kann man sich dort von Fuchs persönlich die Drinks mixen lassen. Unterstützt von einem langjährigen Geschäftsführer, bleibt Fuchs Zeit genug für neue Herausforderungen. Im schönen Fürstenberg an der Havel hat er sich ein Bauernhaus renoviert und widmet sich dort dem Garten, einer Streuobstwiese und der Imkerei. Das ist mehr als ein Hobby: Als er während der Pandemie das Köh schließen musste, sicherten ihm seine Bienenstöcke das Überleben.

Foto links: Steffen Fuchs am Eingang der Hackeschen Höfe in der Sophienstraße

Steffen Fuchs am Eingang der Hackeschen Höfe an der Sophienstraße

Mehr über den Billardsalon Köh erfahren Sie in diesem Video mit Steffen Fuchs. 

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