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Der Ampelmann – in den Hackeschen Höfen zu Hause

Der Ampelmann Store in den Hackeschen Höfen
März 2023

Das Ampelmännchen erinnert an die untergegangene DDR und die Wiedervereinigung. Das Unternehmen Ampelmann feiert den Mann mit Hut mit immer neuen Produkten. Nur wenige wissen: Es begann in den Hackeschen Höfen.

Symbolfigur

Die Teilung Berlins und der untergegangene ostdeutsche Staat faszinieren Menschen bis heute. Von ihm blieb fast nichts übrig – außer dem Ampelmann. Engagierte Bürger, darunter der westdeutsche Produktdesigner Markus Heckhausen, setzten sich in den 1990er-Jahren für seine Rettung ein – mit Erfolg. Der Ampelmann ist weiterhin für die Sicherheit von Fußgängern unterwegs. Er wurde zur Symbolfigur für das wiedervereinigte Deutschland. Und Heckhausen fand seine Lebensaufgabe: Er machte den Ampelmann zur Kultmarke.

Foto: Das Ampelmännchen und die Ampelfrau treiben sich bevorzugt in der Nähe Berliner Sehenswürdigkeiten herum.

Das "Ampelmännchen" und Ampelfrau vor dem Berliner Dom

A Star was born

Der Ampelmann erblickte kurz nach dem Mauerbau im damaligen Ost-Berlin das Licht der Welt. Sein „Vater” war der Verkehrspsychologe Karl Peglau. Der reichte im Oktober 1961 Vorschläge für neue Ampelsymbole ein. Sie sollten Fußgänger vor Unfällen bewahren. Die konnten sich bisher nur an den Ampelfarben orientieren – für Menschen mit Rot-Grün-Schwäche ein Problem. Es dauerte noch bis zum Jahr 1969, dass Peglaus neuer Ampelmann an einem prominenten Standort erstmals zum Einsatz kam – er blinkte in Berlin an der Kreuzung Unter den Linden/Friedrichstraße. 


Foto: Karl Peglau 1996. Auf diesen Vorentwürfen zum Ampelmännchen hatte es noch Finger.

Karl Peglau und eine Darstellung des ostdeutschen Ampelmanns
Entwürfe von Karl Peglau für den ostdeutschen Ampelmann
links: erste Entwurfszeichnungen für das Ampelmännchen, rechts: Karl Peglau und „sein” Mann

Ost-Ampelmännchen sind besser

Im Unterschied zu seinen westlichen Piktogramm-Kollegen hat Peglaus Ampelmann Gesicht und Hände, trägt Hut und zeigt deutlich, was Sache ist: Bei Grün schreitet er forsch voran, bei Rot breitet er die Arme aus. Außerdem ist er wesentlich dicker. Der Hut und die größere Leibesfülle machen ihn nicht nur menschlich und sympathisch, sondern helfen ihm bei seinem Job: Mehr Fläche bedeutet mehr Licht, also bessere Sichtbarkeit – und damit mehr Sicherheit für Fußgänger. 

Bild: Ampelmänner im Vergleich

ostdeutsche und westdeutsche Piktogramme für Verkehrsampeln

Die Abwicklung

Nach der Wende und der Wiedervereinigung wurden viele Unternehmen und Einrichtungen der untergegangenen DDR abgewickelt. Ein Land verschwindet. Auch die veralteten Ampeln werden abgebaut und durch neue Ampeln ersetzt – mit dem westdeutschen Ampelmann.

Der Tübinger Designer Markus Heckhausen kommt Ende der 1980er-Jahre nach Berlin. Er interessiert sich für Überbleibsel aus der DDR. „Alles, was auf das Leben in der DDR verwies, war spannend für uns. Wir sammelten diese Dinge, verwerteten sie, machten etwas Neues daraus“, erinnert sich Heckhausen. Als er beobachtet, wie am Rosenthaler Platz wieder eine Ampel abgebaut wird, sichert sich Heckhausen das Ampelglas. Und baut daraus das erste Ampelmann-Produkt: eine Ampelleuchte.

Fotos links oben: Markus Heckhause nutzte das Dach als Werkstatt für die ersten Ampelleuchten, rechts oben: Heckhausen in Ampelmann-Pose, unten: erste Ausstellung der Ampelleuchten in einem Hauseingang

Bilder von Markus Heckhausen aus den 1990er-Jahren

Die Rettung

Im Jahr 1996 nimmt Heckhausen Kontakt zu Karl Peglau, dem Erfinder des Ampelmännchens, auf. Peglau lädt ihn zum Kaffeetrinken in seine Pankower Wohnung ein. Es ist der Beginn einer freundschaftlichen Zusammenarbeit bis zu Peglaus Tod im Jahr 2009.  In einem Buchprojekt arbeitet Heckhausen mit Peglaus Unterstützung die Geschichte des Ost-Ampelmännchens auf.

Das Buch schafft Aufmerksamkeit, ein Komitee zur Rettung der Ampelmännchen entsteht. Der Ampelmann wird für viele zum Symbol für den Verlust von Heimat, für die „Abwicklung” von allem, was zur DDR gehörte. Für dieses Gefühl wird der Begriff „Ostalgie” geprägt. Die Ampelmann-Kampagne hat Erfolg. Als Erstes stoppt der Berliner Verkehrssenator den Abbau der Fußgängerampeln, andere ostdeutsche Länder folgen. Der Ampelmann war gerettet.


Foto links: Pop-up-Store in Hof 3 der Hackeschen Höfe, rechts: der Ampelmannshop in Hof 5 im Jahr 2002

Der erste "Ampelmann" Shop in den Hackeschen Höfen

Die Marke

Markus Heckhausen nutzt den Kultstatus zum Aufbau einer Marke. Anlässlich des 40. Geburtstags des Ampelmännchens eröffnet er einen Pop-up-Store im ehemaligen Trafohaus in Hof 3 der Hackeschen Höfe. Dort präsentiert er seine ersten 20 Produkte. Kurz darauf öffnet in Hof 5 der Hackeschen Höfe der erste Ampelmann-Shop. Zu Anfang befand sich hier auch das Hauptquartier des jungen Unternehmens mit dem Büro und einem Lager im Keller. Den Shop gibt es dort noch heute. Markus Heckhausen: „Der Spielplatz, der große Baum, der Blick ins Grüne – das ist einmalig. Ich wollte immer genau in diesem Hof bleiben.“
Weitere Ampelmann-Filialen an touristischen Hotspots folgen: Ob ein Berlin-Besucher am Hauptbahnhof oder am Flughafen BER eintrifft, ob er den Ku'damm, die Linden oder den Gendarmenmarkt besucht: Der Ampelmann läuft ihm allerorten über den Weg. Die inzwischen über 500 Produkte mit der Kultfigur sind so zu DEM Mitbringsel aus der Hauptstadt geworden. Da hält selbst der Berliner Bär nicht mit.

Im Zuge der Gleichstellung hat das Unternehmen dem Ampelmann inzwischen eine Ampelfrau mit Kleidchen und Zöpfen an die Seite gestellt. Die konnte aber bisher noch nicht die Verkehrsampel erobern. Die bleibt vorerst eine der letzten Männerdomänen.


Video: Markus Heckhausen erzählt die Geschichte des Ampelmann-Shops in den Hackeschen Höfen. 

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Die Berliner Ampelmann-Shops:

In den Hackeschen Höfen: Hof 5, Rosenthaler Straße 40-41
Unter den Linden 35
Im DomAquarée, Karl-Liebknecht-Straße 5
Am Gendarmenmarkt, Markgrafenstraße 37
Im Kranzler-Eck, Kurfürstendamm 20
Hauptbahnhof Erdgeschoss, Europaplatz 1
Flughafen BER, Terminal 1


Der "Ampelmann" Shop in den Hackeschen Höfen von Innen
Der Ampelmann-Shop in Hof 5 heute